Opferverhältnis

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Das Opferverhältnis (englisch: sacrifice ratio) ist ein Fachbegriff aus der volkswirtschaftlichen Makroökonomie und gilt als Maß für die Kosten von Disinflation. Es leitet sich aus der 1960 erweiterten Phillips-Kurve nach Phillips, Samuelson und Solow ab. In der erweiterten Phillips-Kurve werden Aussagen über den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Inflation getroffen. Das Opferverhältnis gibt an, wie viel Prozent des jährlichen Bruttoinlandproduktes bzw. der Beschäftigten "geopfert" werden müssen, um die Inflation um einen Prozentpunkt zu reduzieren.


Definition Opferverhältniszahl

Die Opferverhältniszahl ist die Quote der, in einer Disinflationsphase, erlittenen Einkommensverluste, zur erzielten Minderung der Inflation. Die Kennzahl gibt demzufolge an, wie viel des Bruttoinlandsproduktes aufgegeben/ geopfert werden muss um die Inflation zu verringern. Dabei spielt es keine Rolle mit welcher Geschwindigkeit sich die Inflationsrate verkleinert. Der Rückgang der Inflation kann in einem kurzen Zeitraum aufgrund hoher Arbeitslosigkeit ablaufen oder auch in einem langen Zeitraum durch eine geringe Arbeitslosigkeit. Bei beiden Szenarien ist das kumulierte Ausmaß der Arbeitslosigkeit gleich.

Herleitung der Opferverhältniszahl

Die erweiterte Phillips-Kurve stellt den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation dar.[1] Aus diesem Zusammenhang wird die Opferverhältniszahl bzw. das Opferverhältnis abgeleitet und berechnet.

Abbildung der erweiterten Phillips-Kurve

Die Abbildung der erweiterten Phillips-Kurve zeigt, das ein Rückgang der Inflation (Disinflation) um β, einer Steigerung der Arbeitslosenquote um 1 entspricht. Das Opferverhältnis ist demzufolge:

Allgemeine Berechnung


Jahresprozentpunkte an Überschussarbeitslosigkeit ist die Differenz zwischen tatsächlicher und natürlicher Arbeitslosigkeit. Liegt beispielsweise die natürliche Arbeitslosenquote bei 8% und die Arbeitslosenquote für 4 Jahre bei 10%, dann berechnen sich die Jahresprozentpunkten an Überschussarbeitslosigkeit wie folgt:

Als natürliche Arbeitslosigkeit wird oftmals die langfristige Arbeitslosenquote hernagezogen. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit beschreibt die aktuelle Arbeitslosenquote.

Der Rückgang der Inflation wird in % angegeben. Z.B. eine Verminderung der Inflationsrate von 10% auf 6%. Dies entspricht einer Disinflation von 4%.

Beispiel US Wirtschaft 1979 - 1985 [2]

Ausgangslage

Am Beispiel der USA im Zeitraum von 1979 bis 1985 wurde hier unter anderem das Opferverhältnis berechnet.

% 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985
Wachstum des BIP 2.5 -0.5 1.8 -2.2 3.9 6.2 3.2
Arbeitslosenquote 5.8 7.1 7.6 9.7 9.6 7.5 7.2
Inflationsrate 13.3 12.5 8.9 3.8 3.9 3.9 3.8
kumulierte Arbeitslosigkeit 1.0 2.6 6.3 3.9 11.4 12.6
kumulierte Disinflation 0.8 4.4 9.5 9.5 9.4 9.5
Opferverhältnis 1.25 0.59 0.66 1.04 1.12 1.32

Zur Berechnung der kumulierten Arbeitslosigkeit wurde die Summe der Jahresprozentpunkte an Überschussarbeitslosigkeit seit 1980 herangezogen. Die natürliche Arbeitslosenquote wurde mit 6,0% festgelegt. Die Differenz zwischen Inflationsrate eines Jahres und der Inflationsrate des Jahres 1979 ergibt die kumulierte Disinflation.

Beobachtungen

  • Das Opferverhältnis pendelt sich um 1 ein. Dies bedeutete das ca. 10% Disinflation die Arbeitslosigkeit um 10 Jahrespunkte erhöhte.
  • Die US-Wirtschaft im Zeitraum von 1980 bis 1982 zeigt das das Opferverhältnis bei schneller Disinflation geringer ist als bei langsamer (siehe Zeitraum 1983-1985).

Kritik

  • Die Einkommensverluste werden beim Opferverhältnis nur nominal betrachtet, in Geldeinheiten errechnet, die Kaufkraft des Geldes wird nicht berücksichtigt.
  • Die Umverteilungsmöglichkeiten der Inflation werden außer Acht gelassen. So verhindern z.B. Tarifverträge das einer Preissteigerung (Inflation) auch eine Lohnerhöhung folgt. Die, durch die Preiserhöhung, zusätzlich gewonnenen EInnahmen bleiben so beim Unternehmer. Insofern könnte das Opferverhältnis zu Missverständnissen führen.
  • Die Laufzeit von Tarifverträgen wird nicht betrachtet. Tarifverträge können z.B. verhindern das Arbeiter zugunsten der Disinflation entlassen werden. Somit ist das Opferverhältnis in Volkswirtschaften mit geringen Tarifvertragslaufzeiten geringer als in Volkswirtschaften mit längeren Tarifvertragslaufzeiten. Dies resultiert daraus, das bei kurzfristen Tarifverträgen die Volkswirtschaft in einer Disinflation schneller bzw. früher handeln kann.

Zusammenfassung

Ausgegangen davon dass der Staat die Arbeitslosigkeit durch fiskal- und geldpolitische Maßnahmen beeinflussen kann, muss er zwischen zwei Übeln wählen: Hoher Arbeitslosigkeit oder Hoher Inflation. Kurzfristig besteht zwischen beiden ein so genannter „trade off“. Denn in einer Volkswirtschaft ist hohe Arbeitslosigkeit genauso unerwünscht wie eine hohe Inflation. Durch das sinken der Inflationsrate wird ein Anstieg der Arbeitslosenquote erkauft. Da die zusätzlichen Arbeitslosen nicht in den Produktionsprozess eingreifen wird deren mögliche Produktivität verschenkt bzw. geopfert. Daher der Name Opferverhältnis. Auf der anderen Seite führt eine Senkung der Arbeitslosenquote zu einer erhöhten Inflation.

Langfristig führt eine höhere Inflation nicht zu einer Beschäftigungszunahme bzw. Verringerung der Arbeitslosigkeit.

Einzelnachweise

  1. http://www.wiwiwiki.net/index.php?title=Erweiterte_Phillips-Kurve Erweiterte_Phillipskurve, 20.04.2008
  2. eigene Darstellung in Anlehnung an: BLANCHARD, Olivier und ILLING, Gerhard, Makroökonomie, 3. Aufl., Pearson, München, 2004, Seite 287.

Literatur

  • BLANCHARD, Olivier, Macroeconomics, 3. Aufl., Prentice Hall International, London, 2003. ISBN 0-1311-0301-6
  • BLANCHARD, Olivier und ILLING, Gerhard, Makroökonomie, 4. Aufl., Pearson, München, 2006. ISBN 3-8273-7199-6

Weblinks

LORENZ, WILHELM, Okuns Gesetz. 12.04.2008

Finanz-lexikon.net Neological Limited London 19.04.2008

Folien zur Geldpolitik SS 2006 Prof. Burkhard Erke S.38 ff. 26.04.2008

Schweizer Nationalbank 17.04.2008