Komparativer Vorteil

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Ein komparativer Vorteil (v. lat.: comparare = vergleichen) besteht im Rahmen der volkswirtschaftlichen Theorie, wenn ein Land in der Lage ist, ein bestimmtes Gut zu geringeren Opportunitätskosten herzustellen, als ein anderes Land. Beispielsweise hätte Großbritannien bei der Herstellung von Wolltuch einen komparativen Vorteil gegenüber Portugal, wenn es bei der Herstellung einer Mengeneinheit Tuch nur auf 0,833 Mengeneinheiten Wein verzichten müsste, Portugal dieselbe Mengeneinheit Tuch hingegen 1,125 Mengeneinheiten Wein kosten würde.

Kerngedanke

Die Theorie des komparativen Kostenvorteils besagt, dass die Vorteilhaftigkeit des Handels zwischen zwei Ländern nicht von den absoluten Produktionskosten abhängt, sondern von den relativen Kosten der produzierten Güter zueinander. Grundsätzlich ist demnach der Handel zwischen zwei Ländern immer vorteilhaft, wenn bei beiden Handelspartnern unterschiedliche Produktionskostenstrukturen existieren, d. h. wenn das eine Land für ein produziertes Gut auf weniger Einheiten eines anderen Gutes verzichten muss als das andere Land (niedrigere Opportunitätskosten). In diesem Fall sollte jedes Land sich auf das Gut spezialisieren, das es relativ (komparativ) günstiger herstellen kann. Somit sind nach der Theorie internationaler Handel und internationale Arbeitsteilung selbst für solche Länder von Vorteil, die alle Güter zu niedrigeren Kosten erzeugen können als das Ausland. In der Realität lässt sich dies vor allem auf Handelsbeziehungen zwischen hoch und niedrig industrialisierten Ländern anwenden. Die Theorie Ricardos beinhaltet generell eine Forderung nach einem weltweit freien Handel, der bei Spezialisierung der Staaten auf ihre komparativen Kostenvorteile zum Vorteil aller ist.

Dabei ist zu beachten, dass nichts über die Verteilung des Handelsgewinnes oder die Effekte der Spezialisierung ausgesagt wird.

Historische Einordnung

Die Theorie des komparativen Vorteils geht auf den Vertreter der klassischen politischen Ökonomie David Ricardo zurück. In seinem Hauptwerk „On the Principles of Political Economy and Taxation“, welches 1817 erschien und 1821 in der dritten Auflage erweitert und überarbeitet wurde, setzte sich David Ricardo insbesondere im 7. Kapitel „Über den auswärtigen Handel“ mit der Vorteilhaftigkeit des Außenhandels auseinander. In Anlehnung an Adam Smiths Ansatz zur internationalen Arbeitsteilung, die den Handel zweier Länder durch ihre absoluten Unterschiede in der Produktionskosten begründet, erweiterte Ricardo seine Theorie hinaus, dass eine Spezialisierung selbst dann von Vorteil ist, wenn ein Land in allen Branchen über eine höhere Arbeitsproduktivität verfügt.

Historischer Hintergrund für Ricardos Theorie war die Auflösung der Kontinentalblockade gegen Großbritannien, die durch den Wiener Kongress im Jahre 1815 eingeführt wurde, nicht aber die Interessen der britischen Regierung in allen Punkten entsprach. Diese hatte nämlich die Intention, die Importe bis auf notwendige Rohstoffe einzugrenzen und Exporte in andere Länder zu fördern. Hohe Schutzzölle wurden in dem Sinne eingeführt, um die inländische Wirtschaft vor ausländischen Importen abzusichern. Insbesondere die Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, wie zum Beispiel dem von Weizen wurde beschränkt, was mehr dem Zweck der Einkünftesicherung der Landlords dienen sollte und weniger zum Schutz der britischen Wirtschaft, so Ricardo. Begründet durch den Beginn der Industrialisierung und dem hohem Bevölkerungswachstum in England, sah er eine Spezialisierung auf landwirtschaftliche Produkte als uneffizient. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund veröffentlichte David Ricardo seine Theorie des komparativen Vorteils, um aufzuzeigen, dass der merkantilistische Handelsprotektionismus entgegen der Meinung der Regierung, die heimische Wirtschaft nicht schützt, sondern nur die Konsummöglichkeiten Großbritanniens beschränkt, die aus einem Freihandel maximiert hätten können.

Volkwirtschaftliche Einordnung

Ricardos Modell der komparativen Vorteile bildet die theoretische Grundlage für die Erklärung des Außenhandels zwischen Volkswirtschaften, auch wenn eine davon absolute Vorteile bei der Herstellung aller Güter hat. Es ist eine einfache und grundlegendste Darstellung der Vorteilhaftigkeit von Freihandel für alle beteiligten Nationen.

Ein Land kann selbst dann Außenhandelsgewinne erzielen, wenn es in der Herstellung beider Güter ineffizienter ist als das andere. Jedes Land sollte sich auf das Gut spezialisieren, das es relativ (komparativ) günstiger herstellen kann. Der Handel zwischen zwei Ländern ist immer vorteilhaft, wenn ein Land für ein produziertes Gut auf weniger Einheiten eines anderen Gutes verzichten muss als das andere Land (niedrigere Opportunitätskosten).

Anwendungsmöglichkeiten

Das Ricardo-Modell

Das Ricardo-Modell erklärt das Zustandekommen von Außenhandel zwischen zwei Ländern. Dabei wird der Außenhandel ausschließlich auf die unterschiedlichen Arbeitsproduktivitäten in den beteiligten Ländern zurückgeführt.[1] Daraus resultieren unterschiedliche Opportunitätskosten. Die Hauptannahme besteht darin, dass Arbeit der einzige Produktionsfaktor ist. Im einfachsten Fall werden komparative Preisvorteile auf komparative Kostenvorteile zurückgeführt. [2]

Das Heckscher-Ohlin-Modell

Das Heckscher-Ohlin-Theorem ist ein Modell einer Volkswirtschaft mit zwei Produktionsfaktoren. [3] Diese können beispielsweise Arbeit und Kapital sein. Sie unterscheiden sich in ihrer Faktorintensität. Es werden sich also Volkswirtschaften mit relativ viel Kapital auf kapitalintensive Produkte spezialisieren, während Staaten mit relativ vielen Arbeitskräften sich auf arbeitsintensive Produkte spezialisieren werden. Jedes Land exportiert also das Gut, bei dessen Produktion der relativ reichlich vorhandene Produktionsfaktor intensiv genutzt wird.

Das Leontief-Modell

Dem Leontief-Paradoxon liegt eine Analyse von Strömen von Gütern und Dienstleistungen zwischen den produzierenden und verbrauchenden Sektoren einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum zugrunde. Es verbindet "Wirtschaftstatsachen und Wirtschaftstheorie" miteinander, indem es die gesamte Ökonomie in einer einzigen Matrix Input-Output-Analyse darstellt. Die Input-Output-Analyse liefert den Rahmen für eine exakte Beschreibung der Wirtschaftsstruktur und erlaubt Prognosen über die Auswirkungen wirtschaftspolitischer Eingriffe in diese Struktur.

Skalenerträge

Zwei Länder betreiben auch Außenhandel miteinander, um Größenvorteile zu nutzen. Man geht von nicht konstanten Skalenerträgen aus. Meist handelt es sich um zunehmende Skalenerträge. Dies bedeutet, dass die Verdopplung des Faktoreinsatzes die Produktionsmenge mehr als verdoppelt. [4] In diesem Modell ist die Industrie von monopolistischem Wettbewerb gekennzeichnet, das heißt dass größere Unternehmen in der Regel im Vorteil gegenüber kleineren sind. Die Unternehmen stellen differenzierte Produkte her. Da beide Länder verschiedene Güter produzieren, ist ein Handel zwischen ihnen möglich.

Der komparative Vorteil bei mehreren Gütern

Bisher wurde ein vereinfachtes Modell, in dem nur zwei Güter produziert und konsumiert werden, dargestellt. In der Realität handeln Länder mit sehr vielen Gütern. Dies macht jedoch kaum einen Unterscheid zu dem oben betrachteten vereinfachten Modell. Jedes Land spezialisiert sich auf die Produktion des Gutes, bei denen es die geringsten Opportunitätskosten hat und damit auch einen komparativen Vorteil. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die relativen Löhne direkt anhand der relativen Nachfrage nach Arbeit bestimmt werden müssen. Beim vereinfachten Modell hat man die relativen Löhne anhand der relativen Nachfrage nach Gütern ermittelt.

Beispiel

Einfaches Beispiel mit zwei Ländern

Nehmen wir an, es gäbe nur 2 Länder Frankreich und die Türkei. Frankeich hat 10 Brotbäcker. Jeder dieser Brotbäcker kann 20 Brote pro Tag herstellen. Das gleiche gilt für Fischer. Die Türkei hat 30 Brotbäcker und jeder kann 4 Brote pro Tag erstellen. Zudem besitzt sie 10 Fischer, die 12 Fische pro Tag fangen. Wenn sich nun die beiden Länder auf das spezialisieren würden, wo sie am produktivsten sind, würden sie mit einem Austausch (Handel) in der Menge mehr produzieren. Zwar sind die französischen Fischer fast 50% leistungseffektiver als die türkischen, aber im Brotbacken sind sie fünf Mal so produktiv. Das heißt, dass der Komparative Vorteil bei den Franzosen beim Brotbacken ist und der der Türken beim Fischen. So erreichen beide beim Handeln, mit der jeweils von ihnen produzierten Ware, eine Steigerung der Produktion.

Multilateraler Handel

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Natürlich gibt es weit mehr als 2 Länder und zwei Waren. In der Realität Handeln 150 Länder mit Millionen verschiedener Waren und Dienstleistungen. Die Handelsmöglichkeiten in der heutigen Zeit sind enorm, so kann ein Land von einem anderen etwas importieren ohne etwas exportieren zu müssen, so entsteht ein Kreislauf, siehe hierzu Abb. rechts "Multilateraler Handel". Um bessere Resultate zu erzielen, braucht es viele verschiedene Handelsteilnehmer. Multilaterale Handelsabkommen sind in der heutigen Zeit unabdingbar um eine effiziente Nutzung der jeweiligen Ressourcen zu haben.[5]

Barrieren der komparativen Vorteil

Die komparativen Vorteile eines Landes werden durch sogenannte Handelsbarrieren begrenzt und behindert. Eine Handelsbarriere ist als politische Maßnahme oder Regelung einer Regierung definiert, welche auf Einschränkung des internationalen Handels ausgerichtet ist. Trotz der unterschiedlichen Varianten von Barrierereformen funktionieren sie nach dem gleichem Prinzip: Es werden einige Kostenarten erhoben, die den Preis der gehandelten Güter erhöht.

Bei Handelsbarrieren sind folgende Varianten zu unterscheiden:

  • Tarifäre Handelshemnisse (Zollpolitik):
    • Schutzzoll und Antidumpingzoll schützen die inländische Produktion vor der günstigen ausländischen Produktion. Der Import von biligen Gütern vom Ausland wird dadurch erschwert, dass der Importzoll des Inlandes den Güterpreise erhöht. Als Folge sind die im Inland hergestellten Produkte relativ günstig und damit die Kostenvorteile zurück zu gewinnen.[6][7]

In den letzten Jahren wurden die Zölle weitgehend durch die Nicht-tariffären Handelshemnisse ersetzt.

  • Nicht-tarifäre Handelshemnisse:
    • Unter diesem Begriff versteht man die mengenmäßigen Handelsbeschränkung sowie die Anforderungen an den importierten Gütern .
    • Zu diesen sind die Warenströme unmittelbar beeinflussende staatliche Maßnahmen (z.B. Anmeldungsformalitäten für Import, technische Qualitätsanforderungen an Produkte) sowie die Maßnahmen, die sich ohne handelspolitische Motive auf Warenströme auswirken (z.B umweltpolitische Produktnormen), zu zählen.
    • Weiterhin wird die inländische Industrie durch spezifische Subventionen und Importkontigenten (Quantitative Einfuhrbeschränkungen) geschützt. Die werden vom Staat durchgeführt und nicht unter Kontrolle der GATT und WTO liegen.
    • Selbstbeschränkungsabkommen, auch als freiwillige Exportbeschränkung zu verstehen, ist ein besondere Form der Kontigentierung (z.B Mengen- oder Wertbeschränkung, sogar Festsetzung eines Mindestpreis für Exportgüter),die am besten zur Ausschaltung des ausländischen Konkurenzdrucks angewendet wird.
    • Im monetäre Bereiche hat dabei auch die Abwertung der inländischen Währung (Wechselkursprotektionismus) wegen Unterschiede im Währungssystem eine Bedeutung.[8] [9]
    • Außerdem haben die Unterschiede in Kultur, Lebensumwelt und Gesetz Einfluss auf die komparativen Vorteile einer Volkswirtschaft.

Kritische Betrachtung

Der Komparative Kostenvorteil kann nur eintreten wenn der Freihandel gewährt wird. Durch Internationale Bestimmungen wie die WTO (World Trade Organisation), durch TRIPS und GATS (General Agreement on Trade in Services) wird versucht Handelshemmnisse zu Unterbinden. 1980 wurden beispielsweise Subventionen durch die GATT-Vorschriften 1980 verboten, dennoch gibt es die Subventionspraxis.

In politischen Diskussionen wird immer darauf hingewiesen, dass man die einheimische Wirtschaft, insbesondere die Arbeitsplätze vor „Billigware“ und damit verbundenen ausländischen Niedriglöhnen schützen muss (siehe auch Ausbeutung).

Argumente für Freihandel aus polit-ökonomischer Sicht

Argumente gegen Freihandel aus polit-ökonomischer Sicht:

  • Der Komparative Vorteil (Freihandel) kann jedoch auch zum Nachteil für wirtschaftlich schwächere Länder werden.
  • Beispielsweise wenn ein großes Land (wirtschaftlich Betrachtet) einen Zoll(Importzoll) für ein bestimmtes Gut einführt, wird der Weltmarktpreis dieses Gutes stark sinken und das Inland kann die Ware billiger erwerben, als im vorherigen Freihandelszustand. So kann der Terms of Trade-Effekt die Wohlfahrt des Inlandes erhöhen. Bei einem kleinen Land, dessen Nachfrage keinen Einfluss auf Weltmarkt hat, bleibt nach der Zollerhebung der Weltmarktpreis des importsgutes konstant. Diese Überlegung basiert auf der Theorie des Optimalzolls. [10] [11]
  • Auch Subventionen können schwerwiegende Folgen für den Freihandel darstellen. Subventionen schützen zwar die heimischen Arbeiter, stören aber den Wettbewerb, da nicht subventionierte Unternehmen benachteiligt werden. Subventionen lähmen die Leistungs- und Innovationsbereitschaft und behindern den Fortschritt und Strukturwandel. Exportsubventionen erschweren zudem mögliche Wohlstandschancen weltweit. [12]

Einzelnachweise

  1. P. Krugman, M. Obstfeld; Internationale Wirtschaft, 7. Auflage, München u.a., 2006, S. 40
  2. H. Siebert, Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart u.a., 1994, S. 28
  3. P. Krugman, M. Obstfeld; Internationale Wirtschaft, 7. Auflage, München u.a., 2006, S. 106
  4. P. Krugman, M. Obstfeld; Internationale Wirtschaft, 7. Auflage, München u.a., 2006, S. 172
  5. Bernhard Beck: Volkswirtschaft verstehen
  6. Außenwirtschaft – Horst Siebert 7.Auflage Kapitel 10
  7. Internationales Wirtschaftsbeziehungen – Dieckheuer 3.Auflage S. 460
  8. Außenwirtschaft – Horst Siebert 7.Auflage S. 189-190,195
  9. Internationale Wirtschaftsbeziehungen – Dieckheuer 3.Auflage S. 472-474
  10. Gernot Sieg – Volkswirtschaftslehre – 2. Auflage – Oldenbourg Verlag München, S. 384-386
  11. Theorie der Außenwirtschaft - Von Klaus Rose, Karlhans Sauernheimer 14. Auflage Verlag Vahlen (2006) - S 600-630
  12. Rolf-E. Breuer – Handbuch Finanzierung, 3. Auflage S. 755-756

Literatur

  • P. Krugman, M. Obstfeld; Internationale Wirtschaft. 7. Auflage, München u.a., 2006
  • R. Pindyck, D. Rubinfeld; Mikrökonomie. 5. Auflage, München u.a., 2006
  • H. Siebert, Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart u.a., 1994
  • Xenia Matschke, Gautam Tripathi: Das Ricardianische Außenhandels-Modell bei einem Kontinuum von Gütern. In: Das Wirtschaftsstudium (WISU), 28. Jg., Heft 6 (Juni 1999), S. 871-878.
  • David Ricardo (1817): The Principles of Political Economy and Taxation, London.
  • Egbert Gerken – ’Mehr Arbeitsplätze durch Subventionsabbau – Veröffentlicht von Inst. für Weltwirtschaft, 1985
  • Die Auswirkungen von Zöllen und anderen Handelshemmnissen auf Wirtschaft und Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Gegenwart
    Von Hans Pohl, Gesellschaft fur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Veröffentlicht von Franz Steiner, 1987


Weblinks

--Moreno 14:16, 18. Mai 2009 (CEST)